Isaac Bashevis Singer, Feinde, die Geschichte einer Liebe

Montag, 24. September 2018 19:48

(Erschienen 1972)

Was für ein seltsames, sperriges Buch, geradezu spröde in seiner Weigerung, unbegreifliche Verhaltensweisen seiner Protagonisten zu kommentieren. Da ist Herman Broder, ein polnischer Jude, der den Holocaust nur dank Yadwiga überlebt hat, dem ehemaligen Dienstmädchen seiner Eltern, die ihn drei Jahre lang auf einem Heuboden versteckt und versorgt hatte. […]

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Heinrich von Kleist, Das Erdbeben in Chili

Montag, 26. Februar 2018 22:17

(Erschienen 1807/1810)

Kurz, damit diese Empfehlung nicht länger gerät als die Erzählung selber.
Immer wieder mitreißend: Heinrich von Kleist. In dieser Erzählung behandelt er auf engstem Raum umfassende Themen wie Liebe und Solidarität, Verrat und Gerechtigkeit, Elternliebe, Gleichheit und Gewalt. Neben der eindringlichen Schilderung eines Erdbebens, natürlich.

Das titelgebende Erdbeben […]

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Peter Kurzeck, Oktober und wer wir selbst sind

Montag, 2. Oktober 2017 13:21

(Erschienen 2007)

Peter Kurzeck erzählt in einem verhaltenen Tonfall, der getragen ist von einer sanften Melancholie, darüber, dass es ihm an Zeit fehlt, um sich alles, was Einem in der Welt begegnet, merken, einprägen und aufschreiben zu können. Daher rührt vielleicht der einprägsame, suggestive Stil, der häufig das Verb vermeidet, dies bald jedoch gar nicht mehr vermissen lässt. Dieser Versuch indes, den Verlauf aus der Welt zu nehmen, […]

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George Saunders, Zehnter Dezember

Dienstag, 15. August 2017 20:37

(Erschienen 2013)

Brillant und pointiert erzählt Saunders seine Geschichten aus der Vorhölle, die den Leser frösteln machen. In solch einer Gesellschaft, wie sie hier durchscheint, möchte niemand leben. Oder tun wir das bereits?

Sofort wird erkennbar, was hier verhandelt wird: unsere Gegenwart, nur um Nuancen versetzt, verändert, zugespitzt. Unverkennbar ist das Setting: die USA, die reichen westlichen Industrienationen, deren besenreine Vorstadteinöden, überangepasste Kinder und ängstliche und selbstunsichere Erwachsene. Die Pharmaindustrie, die Gefühle ein- und ausschalten kann und dies in großem Maßstab nach Belieben tun will. Der letzte Schrei: Weibliche Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten finden „Asyl“ in den Gärten der Reichen, in denen sie als lebende Deko in die Bäume gehängt werden. Die Entrechteten und Entwurzelten, die Dropouts und die Armen, sie müssen sehen, wo sie bleiben: Jeder für sich, gegen alle.

Angst, Unsicherheit, Ohnmacht, Unterdrückung, mittelbare und unmittelbare Gewalt und Wut, immer wieder Wut. Keine Urteile, keine Wertungen, keine Antworten – und nur in der letzten Geschichte ein kleines bisschen Hoffnung.

Hart und einfühlsam, sprachlich variabel, vielstimmig, äußerst spannend, mitunter humorvoll: absolut packend.

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Lawrence Durrell, Bittere Limonen. Erlebtes Cypern

Montag, 15. Mai 2017 20:09

(Erschienen 1957)

1953 ging Lawrence Durrell als Privatmann nach Zypern, das damals noch britische Kolonie war, und kaufte in einem kleinen Dorf ein altes Haus. Als ihm das Geld ausging, unterrichtete er Englisch am Gymnasium in Nikosia, schließlich nahm er ein Stellenangebot als Presseberater der englischen Kolonialregierung an. „So kann ich behaupten, dass ich die Entwicklung der Tragödie dieses Landes sowohl von der Dorftaverne wie vom Regierungspalast aus beobachtet habe“, schreibt er im Vorwort und fährt fort: […]

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John Williams, Stoner

Samstag, 11. März 2017 23:26

(Erschienen 1963)

Lange hat mich kein Roman so ergriffen wie diese unaufgeregt und geradlinig, in klarer und doch geradezu zärtlicher Prosa geschriebene Schilderung eines unauffälligen, aber bedeutsamen Lebens. William Stoner, ein amerikanischer Farmersohn, geb. 1890, nimmt das Landwirtschaftsstudium auf, verliebt sich jedoch in einem obligatorischen Grundkurs – in die Literatur. […]

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Haruki Murakami, 1Q84 (Buch 1, 2 und 3)

Montag, 15. Juli 2013 22:51

(Erschienen 2009/2010, Übersetzung von Ursula Gräfe)

„1Q84“ ist ein spannender, anregender phantastischer Roman, der den Leser in seinen Bann zieht und die Nächte verkürzt. Das vorneweg.

Irgendwann während der Lektüre schoss mir allerdings die Frage durch den Kopf, ob der Autor seinen Daumen am Puls der Zeit hat und ernsthaft die drängenden Probleme behandelt, und/oder ob es sich bei diesem Roman um ein geschickt arrangiertes Potpourri von Modethemen handelt, […]

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Gustave Flaubert, Bouvard und Pécuchet

Donnerstag, 6. Juni 2013 23:06

(Erschienen 1881, Übersetzung von Erich Marx)

Ich bin begeistert von diesem enzyklopädischen Roman, der den Wissensstand des ausgehenden 19. Jahrhunderts traktiert, sowohl in den Natur- als auch den Geisteswissenschaften. Die beiden Schreiber Bouvard und Pécuchet (der eine in einem Handelshaus, der andere im Marineministerium) lernen sich kennen und entdecken gerührt und begeistert ihre Seelenverwandtschaft. Sie sind durchdrungen von einem unstillbaren, wenn auch ziellosen Wissensdurst, […]

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Eugène Sue, Die Geheimnisse von Paris

Mittwoch, 22. Mai 2013 20:05

(Erschienen 1842/43, Übersetzung von Helmut Kossodo)

Räuberpistole? Thesenroman? Sozialreformerische Streitschrift? Jedenfalls eher als historisches Zeugnis denn als literarisches Glanzstück zu lesen ist dieser Roman, der als Fortsetzungsroman 1842-1843 in einer Tageszeitung erschien. Literarisch-sprachlich sind diese 2000 Seiten vorwiegend ein Appell und getragen von aufklärerischem und reformerischem Eifer. Die Aufrichtigkeit des Unterfangens, die Ernsthaftigkeit der vorgeschlagenen Reformen und vor allem die Dringlichkeit des Anliegens werden so offen und so häufig ausgesprochen, […]

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Péter Nádas, Parallelgeschichten

Mittwoch, 20. Juni 2012 23:28

(Erschienen 2005, Übersetzung von Christina Viragh)

Der Titel ist Programm, auf vielerlei Art und Weise.
Als Konstruktionsprinzip: Es werden Geschichten parallel erzählt, aus verschiedenen Perspektiven, in unterschiedlichen Erzählhaltungen, von und über verschiedene Personen, an unterschiedlichen Orten in Deutschland und Ungarn und zu verschiedenen Zeiten des 20. Jahrhunderts.
Als Topos: Menschen leben und denken sich parallel, durchleben ihre Erinnerung parallel zu ihrer Gegenwart und leben durch ihre Erinnerung so, wie sie eben in der Gegenwart leben.
Als Motiv: Menschen sind körperlich, ihre Körper leben parallel zu ihrem Bewusstsein mit Vehemenz und Vielgestaltigkeit, sei es hetero- oder homosexuell.
Heraus kommt […]

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