Umberto Eco, Der Friedhof in Prag

Montag, 27. Februar 2012 22:39

(Erschienen 2010, Übersetzung von Burkhart Kroeber)

„Die Deutschen habe ich kennengelernt, und ich habe sogar für sie gearbeitet: die denkbar niedrigste Stufe der Menschheit. Ein Deutscher produziert im Durchschnitt doppelt soviel Fäkalien wie ein Franzose. Hyperaktivität der Verdauungsfunktion zu Lasten der des Hirns, die ihre physiologische Unterlegenheit zeigt. (…) Sie halten sich für tief, weil ihre Sprache unklar ist, (…) sie sagt nie exakt das, was sie sollte, so dass kein Deutscher jemals weiß, was er sagen wollte – und dann verwechselt er diese Undeutlichkeit mit Tiefe.“
„Ich habe keine Vorurteile. […]

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Dmitri Bakin, Die Wurzeln des Seins

Donnerstag, 13. Oktober 2011 23:36

(Erschienen 1996, Übersetzung von Birgit Veit)

Bakin erzählt in diesem dünnen Bändchen sieben verstörende Geschichten aus fernen Leben. Von Menschen, die ihrem Leben und sich selbst ebenso fremd sind, wie sie dem Leser erscheinen. Menschen, die aus dem Nichts kommen: „Mit zwölf Jahren war er in die Siedlung gekommen, sich vom Feld her nähernd, so dass der Fluss links von ihm lag und der Wald rechts…“
Knorrige, archaische Typen werden hier geschildert, die getrieben werden von fixen Ideen, paranoiden und anderen Wahnvorstellungen und die versuchen, es sich mit seltsam eigenbrötlerischen Weltsichten irgendwie einzurichten in einer feindlichen, kargen, gewalttätigen und freudlosen Welt, die sie belagert und zu Fall bringen will, und derer sie sich erwehren müssen, wie das alle immer mussten und immer müssen, schon immer. […]

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Vladimir Nabokov, Fahles Feuer

Freitag, 12. August 2011 0:36

(Erschienen 1962)

Einen Jux will er sich machen, der Autor, und das ist ihm auf höchst intelligente und unterhaltsame Weise gelungen.
Anlass dieses literarischen Verwirrspiels ist das 999-Zeilen-Vermächtnis eines berühmten amerikanischen Dichters, sein letztes Werk unmittelbar vor seinem Tod. Im Mittelpunkt steht jedoch schon bald der offensichtlich leicht (?) verwirrte Herausgeber des Werkes, Charles Kinbote, der zunächst im Vorwort die Legitimität seiner Herausgeberschaft gegen die Anfeindungen etablierter Literaturwissenschaftler und der Witwe des Dichters hauptsächlich mit dem Hinweis auf die kurze, doch intensive Freundschaft mit demselben verteidigt.
Nach dem für sich schon sehr lesenswerten autobiografischen Gedicht „Fahles Feuer. Gedicht in vier Gesängen“ von John Shade folgt ein ca. sechsmal so langer Kommentar des Herausgebers, in dem er verblüffenderweise eine völlig andere Geschichte erzählt, […]

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Reinhard Jirgl, Die Stille

Donnerstag, 30. Juni 2011 17:58

(Erschienen 2009)

Was will uns der Autor damit sagen? Und der Rezensent verneigt sich demütig und bekennt: Um das heraus zu finden, muss man sich schon selber zum Lesen bequemen, denn das, was da steht, will uns der Autor sagen.

Erzählt wird von mehreren Personen, aber immer mit der unverkennbaren Stimme des Autors über mehrere Generationen hinweg eine deutsche Familiengeschichte von Unterdrückung, Widerstand, Behördenwillkür, Krieg, Mord, Selbstmord, Liebe, Rache, Ehebruch und Inzest. Früh schon wird das Thema skizziert: das „unerklärliche Wollen-zum-Dasein: ?Weshalb will, was ist, auch ?bleiben – u: nicht viel lieber !nicht.“ Die Auskunft, viele Seiten später, ist keine endgültige, sondern nur ein Zwischenbescheid: „Leben ist eine ansteckende Krankheit, zu heilen durch Nichts.“ Und trotz aller verheerenden, seelenzerfetzenden Ereignisse, die durch dieses Buch rollen und die darin geschilderten Schicksale niederwalzen, erscheint ein Ausweg: […]

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Hermann Broch, Der Tod des Vergil

Dienstag, 5. April 2011 18:47

(Erschienen 1945)

Hermann Broch gelingen glückhafte Sätze, in diesem Fall über halbe oder ganze Seiten. „Umspült von Stille, wurde das Unerhaschbare zwischen Vergangenheit und Zukunft wieder zum gegenwartsgroßen Jetzt, und leise pendelte die Waage der Zeit, leise klirrten die Silberketten ihrer Schalen, die leise sich senkend, leise sich hebend, wahrheitswägend Sinnbild um Sinnbild empfingen und entließen, Sinnbild um Sinnbild wägend erschufen; leise klinkte das Verbindende im sanften Strömen wiedererfüllten Seins.“
Endlos scheinende Sätze, Aneinanderreihungen, Variationen, die miteinander Reigen tanzen, formen auf- und abschwellende Wortwogen. Die wabernde Wortmasse erzeugt und erfordert höchste Konzentration. Man spürt, was Broch sagen will, es lässt sich aber kaum ausdrücken. Es geht um nichts weniger als das Leben, das Universum und den ganzen Rest, es geht um das „unhörbar Unerlauschbare unendlicher Unerforschlichkeit“. […]

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Jorge Luis Borges

Freitag, 31. Dezember 2010 17:35

(24.8.1899 – 14.6.1986)

„Philip Guedalla schreibt, der Roman The Approach to Al-Mu’tasim des Advokaten Mir Bahadur Ali aus Bombay sei ‚eine etwas ungemütliche Mischung (a rather uncomfortable combination) aus jenen allegorischen Dichtungen des Islam, deren Reiz sich der Übersetzer nur selten entziehen kann, und jener Art von Detektivromanen, die John H. Watson unfehlbar übertreffen und das Grauen menschlichen Daseins in den untadeligsten Pensionen von Brighton perfektionieren.'“
Wer so etwas mag, sollte Borges lesen, den Großmeister der Phantastik. Seine Erzählungen sind vom ersten Satz an Einübungen in die Imagination. Fünf, zehn, 20 Seiten, in seltenen Fällen länger sind seine Erzählungen, konzentriert, verdichtet.
„Das Universum (das andere die Bibliothek nennen) setzt sich aus einer unbestimmten, vielleicht unendlichen Zahl sechseckiger Galerien zusammen, mit weiten Luftschächten in der Mitte, eingefasst von sehr niedrigen Geländern.“ („Die Bibliothek von Babel“)
Oft gelingt Borges in einem Satz, wozu geschwätzige Autoren 300 Seiten verschwenden. Und […]

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Alfred Kubin, Die andere Seite

Sonntag, 24. Oktober 2010 18:48

(Erschienen 1909)

Ein im besten Sinne „phantastischer Roman“. Gekonnt suggestiv schildert Kubin eine Welt surrealer Unwirklichkeiten, die, obzwar entlang einer Rahmenhandlung aufgereiht, deshalb keineswegs realer werden. Das Traumreich als real existierendes Reiseziel. Grotesk, bizarr, voller skurriler Begebenheiten und Personen ist dieser Staat, der anscheinend auf einer Massensuggestion beruht und aus tätigen Schlafwandlern besteht. „Alles, was man im Traumreich zu Gesicht bekam, war matt und stumpf. Wie weit das ging, bemerkte ich eines Tages beim Rasieren. Giovanni bediente mit gewohnter Eleganz, nur der Zustand seines Messers und des Kupferbeckens störten; sie waren blind. „Was soll das heißen?“ sagte ich zu dem Friseur, welcher mir eben einen schwer verständlichen Exkurs aus Leibniz‘ Monadologie vorlas, „der Herr Assistent könnte wohl diese Sachen ein bisschen besser instand halten.“ „Wie beliebt?“ fragte erschrocken der große Philosoph mit der Miene eines Abgestürzten.“ […]

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Tilman Röhrig, Caravaggios Geheimnis

Sonntag, 8. August 2010 18:30

(Erschienen 2009)

Das Leben des Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571 – 1610) lädt geradezu ein, daraus einen historischen Abenteuerroman zu stricken. Der schon zu Lebzeiten berühmt-berüchtigte und oftmals aktenkundig gewordene Maler hat Spuren hinterlassen, die zur Legendenbildung taugen. Diese Spuren in einem stimmigen Kontext entfaltet und eine Figur geschaffen zu haben, mit der man mitleidet und mitfiebert, ist das Verdienst des Autors. Es gelingt ihm fast alles: […]

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Henry James

Dienstag, 13. Juli 2010 22:29

(15.4.1843 – 28.2.1916)

Warum ist es ein Genuss, Henry James zu lesen? Weil er einer der ganz großen Stilisten ist und ein passionierter Menschenerzähler. Bei ihm bestimmt das Innenleben der Figuren ihr Handeln, man muss nicht mühsam aus den Handlungen der Personen ihr Innenleben rekonstruieren, sondern bekommt dieses in angemessen feiner Zurückhaltung auf einem silbernen Tablett serviert.
Mutmaßungen über Zeitgenossen hat er angestellt, über die Art und Weise, wie sie sich einrichten im Leben. […]

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John Milton, Das verlorene Paradies

Donnerstag, 20. Mai 2010 17:47

(Erschienen 1667)

Abgefahren. Schlachtengetümmel wie beim Herrn der Ringe, Engel, die auf Sonnenstrahlen herangleiten, Heere, die sich mit ganzen Hügeln bewerfen, viel Pomp und Glamour.
Die ersten beiden von 12 Kapiteln („Bücher“) gehören Satan, der sich lang und breit darüber auslässt, dass er gegen Gott verloren hat und mitsamt seinem Heer in die Hölle gestoßen wurde. Der Grund für Satans Aufstand und die folgende dreitägige Schlacht war die Inthronisierung von Jesus als Gottgleichem. Ein Drittel der himmlischen Scharen folgte Satan in den Abgrund und Gott gefiel es nicht, dass seine Gefolgschaft erheblich verkleinert war. Er schuf die Erde, […]

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